Antarktis: Moostierchen enthüllen eisfreie Westantarktis
Der westantarktische Eisschild – würde er schmelzen, so stiege der Meeresspiegel weltweit um dreieinhalb bis fünf Meter – brach noch in der erdgeschichtlich jüngsten Vergangenheit zeitweilig zusammen. Wissenschaftler fanden jetzt Hinweise, dass innerhalb der letzten Million Jahre eine offene Wasserstraße den Kontinent querte, wo jetzt ein zwei Kilometer dicker Eispanzer aufragt.
Beim Vergleich von Bryozoen-Gemeinschaften stellten sie fest, dass sich die Moostierchen aus dem Weddell-Meer und dem Ross-Meer am ähnlichsten sind – und das, obwohl die Seegebiete auf entgegengesetzten Seiten des Kontinents liegen. Heute müssen Lebewesen die gesamte westantarktische Halbinsel umrunden, um vom Weddell- zum Ross-Meer zu kommen. Trotzdem ähneln sich die Bryozoen-Faunen hier stärker als die der Antarktischen Halbinsel und der direkt benachbarten Inseln im Südpolarmeer, und sieben Arten kommen sogar ausschließlich in diesen beiden Meeresgebieten vor.
Dass Moostierchen-Gemeinschaften von entgegengesetzten Enden des Kontinents ähnlicher sind als alle anderen Faunen der Region, zeigt, dass es nicht Moostierchen von außen waren, die die untermeerischen Hänge der Antarktis kolonisierten, sondern dass trotz der enormen Eismassen in einzelnen Nischen genug einheimische Tiere aus der vorherigen Warmzeit die Kaltzeit überlebten. In diesen Tiergemeinschaften haben Spuren eines zusammenhängenden Ökosystems überlebt, das sich in einer früheren Warmzeit quer über die heutige Westantarktis erstreckte. All das, schließen die Forscher, liegt noch nicht allzu weit zurück, sonst hätten Eisvorstöße, Klimawandel und genetische Drift die Gemeinsamkeiten bis zur Unkenntlichkeit verwischt.
Dieser Biomarker ist ein weiterer Hinweis auf die beunruhigende Instabilität des ganz und gar nicht ewigen Eises der Westantarktis. Bereits geologische Indizien deuten darauf hin, dass der Eisschild in der letzten Million Jahre kam und ging, ein Befund, der nun durch die neuen Daten aus einem ganz anderen Fachgebiet gestützt wird. Offen ist, wann das Eis der Westantarktis schmolz und wie oft die Region in diesem Zeitraum tatsächlich eisfrei war. Die Antworten auf diese Fragen sind keinesfalls nur von akademischem Interesse: Es ist gut möglich, dass schon in naher Zukunft dieser Planet wärmer sein wird, als er das in jener Periode jemals war. (lf)
Die Umrisse des Kontinents, wie sie der Atlas zeigt, sind trügerisch – das Gewicht des aufgetürmten Eises lastet auf der Erdkruste und presst Teile des Festlands unter den Meeresspiegel. Verschwände das Eis der Westantarktis plötzlich, fänden wir dort keine Landmasse, sondern vielmehr einen Inselarchipel vor, durch den sich Meerestiere quer über den Kontinent bewegen könnten. Genau das ist vor nicht allzu langer Zeit geschehen, behaupten nun David Barnes und Claus-Dieter Hillenbrand vom British Antarctic Survey. Sie haben Moostierchen (Bryozoen) untersucht, sesshaft in Kolonien lebende Organismen, die Plankton aus dem Wasser filtern.
Beim Vergleich von Bryozoen-Gemeinschaften stellten sie fest, dass sich die Moostierchen aus dem Weddell-Meer und dem Ross-Meer am ähnlichsten sind – und das, obwohl die Seegebiete auf entgegengesetzten Seiten des Kontinents liegen. Heute müssen Lebewesen die gesamte westantarktische Halbinsel umrunden, um vom Weddell- zum Ross-Meer zu kommen. Trotzdem ähneln sich die Bryozoen-Faunen hier stärker als die der Antarktischen Halbinsel und der direkt benachbarten Inseln im Südpolarmeer, und sieben Arten kommen sogar ausschließlich in diesen beiden Meeresgebieten vor.
Aus solchen Verbreitungsmustern können die Forscher nun Schlüsse über die Geschichte der Antarktis und ihrer Bewohner ziehen. Für die Moostierchen waren die letzten paar hunderttausend Jahre nicht uneingeschränkt angenehm. Mit jeder Kaltzeit stießen die Eiskappen vor und walzten über die Flachwassergebiete um die Antarktis – den Lebensraum der Bryozoen – hinweg bis an den Rand des Kontinents, zuletzt auf dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit vor etwa 19 000 Jahren. In den Warmzeiten besiedelten die mikroskopisch kleinen Tiere den vom Eis befreiten Ozeanboden aufs Neue.
Dass Moostierchen-Gemeinschaften von entgegengesetzten Enden des Kontinents ähnlicher sind als alle anderen Faunen der Region, zeigt, dass es nicht Moostierchen von außen waren, die die untermeerischen Hänge der Antarktis kolonisierten, sondern dass trotz der enormen Eismassen in einzelnen Nischen genug einheimische Tiere aus der vorherigen Warmzeit die Kaltzeit überlebten. In diesen Tiergemeinschaften haben Spuren eines zusammenhängenden Ökosystems überlebt, das sich in einer früheren Warmzeit quer über die heutige Westantarktis erstreckte. All das, schließen die Forscher, liegt noch nicht allzu weit zurück, sonst hätten Eisvorstöße, Klimawandel und genetische Drift die Gemeinsamkeiten bis zur Unkenntlichkeit verwischt.
Dieser Biomarker ist ein weiterer Hinweis auf die beunruhigende Instabilität des ganz und gar nicht ewigen Eises der Westantarktis. Bereits geologische Indizien deuten darauf hin, dass der Eisschild in der letzten Million Jahre kam und ging, ein Befund, der nun durch die neuen Daten aus einem ganz anderen Fachgebiet gestützt wird. Offen ist, wann das Eis der Westantarktis schmolz und wie oft die Region in diesem Zeitraum tatsächlich eisfrei war. Die Antworten auf diese Fragen sind keinesfalls nur von akademischem Interesse: Es ist gut möglich, dass schon in naher Zukunft dieser Planet wärmer sein wird, als er das in jener Periode jemals war. (lf)
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